Sehenswerte Politsatire „Verblendet“ nimmt Manipulation und Indoktrination der Menschen aufs Korn
Theater-AG des Albertus-Gymnasiums Lauingen brilliert im Stadeltheater
von Helmut Sauter
Auch in diesem Schuljahr haben sich Marie Sienkiewicz und Hartmut Frank mit der Theater-AG des Albertus-Gymnasiums eine hochaktuelle und zeitkritische Politsatire einfallen lassen, die bei allen skurrilen und zum Lachen reizenden Szenen einen ernsten Hintergrund hat: die Manipulation der Menschen durch nicht greifbare Machthaber, deren Gefolgsleute sich mit devotem Kadavergehorsam unterwerfen.
Die Handlung der teils witzigen, teils absurden Parabel „Verblendet“ spielt auf einer abgeschiedenen Insel, auf der die sagenumwobene Usurpatorin Elisabretta I. einen geheimen Unrechtstaat errichtet hat. Ihre Staatsgeschäfte leiten fünf eigensinnige und „verblendete“ Minister, die ihr gefallen wollen und deshalb ständig neue bizarre Gesetze erlassen. So ist es dem Inselvölkchen unter Strafe verboten, sich zu versammeln, eigene Meinung zu haben oder gar selbständig zu denken. Um seine tiefe Verbundenheit zur Inselherrscherin zu demonstrieren, muss jeder Inselbewohner ein „Brett vorm Kopf“ tragen als Zeichen seiner Ergebenheit und Abhängigkeit von der Usurpatorin.
Die Geschichte beginnt ganz harmlos am Strand der Insel, an den es eine Schiffbrüchige anschwemmt, die kein „Brett vorm Kopf“ hat. Ein Untertan der „großen und erhabenen Herrscherin“ findet sie und stellt sie zur Rede, warum sie kein Zeichen, kein „Brett vorm Kopf“ trägt. Das sei ein eklatanter Verstoß gegen die Inselgesetze. Allmählich begreift der Brettist – so heißen die Untertanen- dass diese Schiffbrüchige ein „Wildling“ ist, der sich auch noch über sein „Brett vorm Kopf“ lustig macht. Doch bevor das spaßhafte Geplänkel in Streit ausartet, verstecken sich beide, weil eine Prozession singender Brettisten aus dem Zuschauerraum naht.
In einfache Rupfensäcke gekleidet, huldigt der Chor in eingängigen Melodien immer wieder der „unsterblichen göttlichen Herrscherin“. Die Insulaner sind stolz auf ihr auserlesenes Zeichen „Brett vorm Kopf“ und lassen „ihre erhabene Hoheit“ immer wieder hochleben, ohne zu merken, wie sie durch Propaganda und gezielte Desinformation der Regierung fremdgesteuert werden. Die Regierung besteht aus fünf Ministern, die untereinander wetteifern, wer die irrwitzigsten Gesetze erfindet, um der Herrscherin zu gefallen. Es gelingt ihnen sogar, den Steuersatz auf 98,89 Prozent zu erhöhen und diese horrende Zahl als neue Glückszahl des brettistischen Volkes zu verkaufen. So skurril und aberwitzig die Minister auf einer hölzernen „Gleichheitswippe“ mitten auf der Bühne auch agieren, so stimmen ihre abstrusen Ideen doch nachdenklich, da zum realen Weltgeschehen durchaus Parallelen gezogen werden können.
Den jugendlichen Spielerinnen und Spielern der Theater-AG gelingt eine exzellente Premiere der Parabel über Macht und Ohnmacht, Recht und Ordnung, Gehorsam und Gleichschaltung, Hoffnung und Irrsinn und die verlorene Würde des Menschen in einem Staat, den sich eine Autokratin unrechtmäßig zu eigen gemacht hat, die Minister wie Marionetten tanzen lässt und ihr Volk durch Desinformation und „fake news“ willfährig macht. Spielerisch bis ins Lächerliche und Absurde übertrieben, sorgt die Satire für lustvolle Unterhaltung. Gleichzeitig regt sie zum Nachdenken über gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, politische Manipulation oder verfälschte Wahrheiten an. Ob die Schiffbrüchige ihren Kampf gegen die Machenschaften der Usurpatorin, gewinnen kann…dieser Spannungsbogen wird bis in die Schlussszene gehalten.
Die Akteure der Theater- AG interpretieren die anspruchsvolle Kost mit professioneller Rolleninterpretation. Requisiten und Bühnenbild sind bewusst sparsam gestaltet und lassen genügend Raum für eigene Vorstellungen. Allen gemeinsam ist eine glanzvolle Premiere von „Verblendet“ gelungen, einer Satire, die den jungen und erwachsenen Theaterfreunden humorvoll, aber auch kritisch die Augen öffnen will, wohin kopflose Anpassung und blinder Gehorsam führen können. „Brettonien“ ist überall und irgendwo.
Fotos: Hartmut Frank
Programm mit Darstellern und Liedtexten